Sabine Wiedenhofer, bildende Künstlerin, 100 Jahre nach der Entstehung von Verdis Requiem in Wien geboren, steht seit Jahren für gesellschaftskritische, hochpolitische Kunst. Ihre überdimensionale Glasinstallation SO SORRY, Alea iacta est wurde 2024 im Kontext mit der 60. Biennale di Venezia im Arsenale ausgestellt. Mit dem Bühnenbild des Requiems von Giuseppe Verdi setzt sie das bedrohliche Donnergrollen, die lodernden Flammen des Fegefeuers und das jämmerliche Wimmern um Vergebung vor dem Weltenrichter spektakulär in Szene. Hier schildert sie ihre Perspektive auf eine der beeindruckendsten geistlichen Kompositionen aller Zeiten und die Konzeption ihrer Bühnenperformance.
Bombastisch und bedrohlich hat Giuseppe Verdi die sieben Todsünden, das Flehen um Erbarmen und das Bitten um Vergebung in einem monumentalen Werk zum Erklingen gebracht.
150 Jahre später haben diese Todsünden – Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn – die Menschheit an den Abgrund ihrer eigenen Existenz geführt. Die Elemente des Lebens schlagen zurück und werfen den Menschen von der Erde. Jenem Planeten, den er sich mit allen anderen Lebewesen hätte teilen sollen. Wasser überflutet, Luft erhebt sich zu zerstörerischen Stürmen, Feuer erglüht zur Hölle und die Erde erbebt vor Zorn.
In dieser Bühnenperformance wird der Mensch zur Ursache erklärt und sein Handeln direkt auf ihn projiziert. In weißen Totentüchern tritt der Chor auf die Bühne und reflektiert die auf ihn gerichteten Ergebnisse menschlicher Ausbeutung.
Steigende Meeresspiegel, Waldbrände, Überschwemmungen, Artensterben, Radioaktivität, Klimawandel, Krieg und Zerstörung. Symbolisch für die vier Elemente des Lebens stehen vier Solist*innen in der Menge des Chores. Sie symbolisieren die Hohepriester der Weltbevölkerung und flehen im Interesser aller Menschen um Gnade vor Gottes Zorn. Der Erdball, der als Garten Eden für alles Leben geschaffen wurde, wirft den Übeltäter, den Zerstörer, den Sünder ab.
Es waren die Todsünden, die die Menschheit angebetet hat. Hier steht sie nun. Beschämt von den Ergebnissen ihrer Gier und Habsucht, ihres Neids und Hochmuts, ihrer Völlerei und Wollust, ihrer Trägheit und ihres Zorns.
Gibt es ein Erbarmen?
Kann sich das Blatt noch wenden?
Ist dies die Totenmesse unseres Planeten?
Oder erhält die Menschheit die Chance zur Umkehr und damit den Segen der Vergebung?