INTERVIEW. Am 16. Jänner feiert die Komödie »Mein Freund Harvey« am Stadttheater Premiere. Regisseurin Mira Stadler und Elwood-Darsteller Marcel Heuperman über »Normalität«, eine Leerstelle, die freie Szene und Musicals. (Marianne Fischer/Kleine Zeitung; Foto: Matthias Horn )
Der liebenswerte Elwood hängt mit seinem besten Freund Harvey gerne in seiner Lieblingskneipe ab. Das Problem dabei: Harvey ist ein zwei Meter großer Hase, der von anderen nicht gesehen wird. Das sorgt vor allem in Elwoods Familie, die um ihren guten Ruf besorgt ist, für zahlreiche Turbulenzen. Das Stück von Mary Chase war in den 1940er-Jahren ein großer Broadway-Erfolg, die Verfilmung mit James Stewart wurde zum Klassiker. Nun kommt das Stück am Stadttheater Klagenfurt in der Inszenierung der Kärntnerin Mira Stadler heraus, in der Hauptrolle ist ihr Ehemann Marcel Heuperman, bis 2024 Ensemble-Mitglied am Wiener Burgtheater, zu sehen.
Warum bringt dieser Elwood die Menschen um sich herum so aus der Fassung?
Marcel Heuperman: Alles, was nicht der Norm entspricht, macht uns nervös. Wir sehnen uns als Menschen nach Sicherheiten. Gerade in schwierigen Zeiten gibt es ein wahnsinniges Bedürfnis nach festen Strukturen. Da ist diese Komödie ein wunderbares Plädoyer, ein Stück zur Seite zu gehen und zu fragen: Was sagt es über uns aus, dass uns dieser sympathische Elwood wahnsinnig macht?
Elwood und Harvey als Sinnbilder für die Gesellschaft?
Heuperman: Harvey ist ein Sinnbild für eine Leerstelle in der Gesellschaft und das ist ein spannender Kniff im Stück. Wir werden auf humorvolle Art und Weise permanent darauf hingewiesen, genau hinzuschauen, keine vorschnellen Urteile zu fällen und offen zu sein für das Andersartige.
Wie inszeniert man eine Leerstelle?
Mira Stadler: Indem man eine große Not in den anderen Figuren erzeugt. Denn Elwood hat diese Not nicht. Das ist das Einzigartige an dieser Komödie: Nicht die Hauptfigur befindet sich in einem Konflikt, sondern die anderen.
Und wie spielt man eine Leerstelle?
Heuperman: Man muss ganz genau wissen, was dieser nicht vorhandene Harvey gerade macht, wo er sitzt, wo er hinschaut. Ich musste quasi parallel eine zweite Figur mitentwickeln, denn nur, wenn ich entsprechend reagiere, sehen das auch die Zuschauer. Das ist eine wahnsinnige Herausforderung und im besten Sinne analoges Theater, denn nur durch die Kraft des Schauspiels entsteht die Titelfigur des Stückes.
Und wer ist in dem Stück nun das, was man gemeinhin normal nennt?
Heuperman: Wer definiert, was normal ist und was nicht normal ist? Ich weiß auch nicht, was die größere Beleidigung oder das größere Kompliment ist. Das sind jedenfalls alles Bewertungen von außen. Dieser Elwood hat eine gewisse Magie. Er hört wirklich zu, ist interessiert am Gegenüber. Darum geht es ja, sich wirklich zu begegnen, jeden Moment zu genießen, zu entschleunigen. Das zeichnet diese Figur aus.
Dabei hätte diese Produktion fast nicht stattgefunden. Sie wurde aufgrund budgetärer Nöte abgesagt und nur durch eine Sondersubvention gerettet.
Stadler: Ja, für mich als selbstständige Regisseurin war das eine schlimme Situation. Wir haben zu dieser Zeit schon gearbeitet, es gab Vorgespräche und Vorarbeiten, das alles wäre weggebrochen. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass wir nun hier sind.