Seinen Einstand als künstlerischer Leiter des Klagenfurter Stadttheaters hat sich Aron Stiehl vermutlich anders vorgestellt. Während seiner ersten regulären Spielzeit bleibt der Vorhang zu – zumindest noch bis Ostern.
von Karin Waldner-Petutschnig (Kleine Zeitung)
Seinen Einstand als künstlerischer Leiter des Klagenfurter Stadttheaters hat sich Aron Stiehl vermutlich anders vorgestellt. Ende 2019 als Nachfolger von Florian Scholz präsentiert, setzte der 52-jährige deutsche Opernregisseur im Vorjahr soweit es lockdown-bedingt ging noch dessen letzte Planungen um. 2021/22 ist nun seine erste reguläre Spielzeit – doch der Vorhang geht nicht auf. „Wir proben immer nur bis zu den Endproben, dann wird wieder verschoben.“
„Wir haben keinen Output, kein Ziel, drehen uns um uns selbst“, sagte Stiehl im APA-Interview. „Man kann Stücke nicht ewig wieder aufnehmen. Beim zweiten Mal schmeckt das Essen noch, wenn es wieder aufgewärmt wird, aber beim dritten oder vierten Mal wird’s fad. Was ist ein Theater ohne Publikum? Nichts!“ Durch das ständige Hin und Her zwischen Ausgangssperren, Versammlungsverbot und Lockerungsschritten gebe es keine Perspektiven.
Die fehlende Planungssicherheit veranlasste den Theatermacher vorzupreschen und Ende Jänner die Schließung seines Hauses bis nach Ostern anzukündigen. „Die Politik in Wien gibt uns das Gefühl, dass wir offenbar nichts wert sind, da nicht auf Augenhöhe mit uns kommuniziert wird. Ich vermisse hier den nötigen Respekt.“ Inzwischen wurden drei Produktionen geprobt: William Shakespeares Was ihr wollt (Premiere 8. April), Gioacchino Rossinis Barbier von Sevilla (Premiere 10. April) und Carl Zellers Der Vogelhändler (Premiere 29. April). „Im Rückblick die richtige Entscheidung“, resümierte Hausherr Stiehl, dem bei den Proben vor Rührung über das Live-Erlebnis die Tränen kamen.
Was er noch spürt, ist die zunehmende Ungeduld mit der Regierung. Die „halbherzige, einseitige Öffnung nur der Geschäfte“ sei viel zu früh gewesen, „was da gerade passiert, ist eine Bankrotterklärung für die Kulturnation Österreich“. Es gehe nicht um Politiker-Bashing oder eine Neiddebatte, in der Haut eines Politikers zu stecken sei momentan alles andere als einfach. Doch es müsse erlaubt sein zu fragen, warum etwa die Kirchen offen seien, die Theater aber nicht: „Ein Theaterbesuch kann genauso viel Licht und Kraft spenden wie eine Kirche. Beides ist wichtig, Theater wie Religion. Die Theater haben sehr sichere Präventionskonzepte geliefert. Institutionen wie das Fraunhofer-Institut haben wissenschaftlich nachweisen können, dass die Konzepte funktionieren“, so der Theatermacher. Absolute Sicherheit gebe es aber nicht. „Wir müssen mit dem Virus leben lernen, so wie wir es bei HIV gelernt haben. Die Antwort hieß Safer Sex. Wir müssen heute für ein Safer Life eintreten!“ Die Regierung forderte Stiehl dazu auf, auf Aufklärung zu setzen anstatt Angst zu schüren.
Der Theaterleiter, der sich bei seinem Umzug von Berlin nach Klagenfurt „schon auf die Essenskultur und die Kaffeehäuser gefreut“ hat, ist auch abseits der Planungs- und Verschiebungsarbeit nicht untätig: „Wir haben jetzt eine Aktion mit der freien Szene vor, warten aber noch auf das OK von Land und Stadt.“ Mehr will er noch nicht verraten. Als Mitglied der Initiative „Gemeinsam aus dem Lockdown“ ergreift er auch abseits der Theaterbühne öffentlich das Wort, und via Radio Kärnten ist der Stadttheater-Intendant im März regelmäßig für das heimische Publikum zu hören („Noten und Anekdoten„, Montag bis Samstag 12.50 Uhr und 17.50 Uhr, Sonntag 9.10 Uhr und 17.50 Uhr).
Die Initiative, Kärntner Persönlichkeiten und Künstler in die schönste Loge des Stadttheaters einzuladen („Loge 10„) und ihre Beiträge via Internet zu übertragen, hat sogar schon zu Zuschriften aus anderen Ländern geführt. Dass der Neo-Intendant bei den Spaziergängen mit seinem Hund am Klagenfurter Kreuzbergl immer wieder von Passanten angesprochen wird, die das Theater vermissen, zählt für ihn zu den schönen Erlebnissen in der Pandemie-Zeit. Bei allem Bemühen um Lebensfreude bleibt bei Aron Stiehl aber die Sorge um die Zukunft: „Auch ich bin müde. Es darf nicht so weitergehen. Sonst könnte die Gesellschaft daran zerbrechen.“ Sein Schlusswort im Gespräch: Schon Schiller habe gesagt, der Mensch sei nur da Mensch, wo er spielt.