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30. Mai 2024

»Es gibt immer ein neues Publikum zu erobern«

Die »New York Sun« lobte sie als »glamouröseste und begabteste Opernsängerin unserer Zeit«. Nun kommt Angela Gheorghiu für ein Konzert ins Stadttheater. Ein Gespräch über Rumänien, intime Begegnungen und ihre Stimme. (Marianne Fischer / Kleine Zeitung)

Sie kommen mit Arien und Liedern von Donizetti und Puccini bis Strauss nach Kärnten. Gibt es so etwas wie einen roten Faden im Programm?
Ich komme mit einem vielfältigen Programm, denn ich denke, Klavierabende mit nur einem oder zwei Komponisten können für das Publikum etwas fade sein. Das Programm ist eine Reise durch die Höhen und Tiefen der Romantik, die sich durch die Jahrhunderte der Musik zieht.

Liederabende sind intimere Begegnungen mit dem Publikum als Opernaufführungen. Was schätzen Sie daran?

Es ist in der Tat die intimste Aufführung, intimer als eine Oper oder ein Konzert mit Orchester. Es gibt nur die Stimme und das Klavier, so dass der Fokus ständig auf der Stimme liegt. Ich liebe diese besondere Begegnung mit dem Publikum. Manchmal kann es sich anfühlen, als stünde man in gewisser Weise nackt auf der Bühne, nur ich und meine Stimme. Ich schätze diese Intimität sehr und auch die Tatsache, dass das Publikum neue Lieder, neues Repertoire entdecken kann.

Sie singen auch Lieder aus Ihrer rumänischen Heimat, aus der Sie 1990 weggegangen sind. Wie ist Ihr Verhältnis zu dem Land heute?

Ich habe Freunde und Familie in Rumänien und fahre jedes Jahr dorthin, wenn es die Zeit erlaubt. Ich werde für die Unterstützung, die ich von klein auf erhalten habe, immer dankbar sein. Und ich bin ein bisschen wehmütig, dass ich nicht oft zu Auftritten in Rumänien eingeladen werde, ich habe nie eine Oper in Rumänien gesungen, nur ein paar Konzerte, von denen die meisten Wohltätigkeitskonzerte waren. Das ist in erster Linie unfair gegenüber dem rumänischen Publikum, aber ich kann nichts dagegen tun.

Sie hatten schon als Kind die Stimme einer Opernsängerin. War es für Sie immer klar, diesen Weg einzuschlagen?

Im Kindergarten war mein allererstes Lied Brahms´ Wiegenlied, »Guten Abend, Gut‘ Nacht«. Meine Stimme war anders als die der anderen Kinder, ich hatte irgendwie eine natürliche Art zu singen, den Klang zu projizieren, dessen wurde ich mir langsam bewusst. Mit 14 Jahren sagte mir meine damalige Musiklehrerin Mia Barbu, ich solle atmen – und dann sagte sie mir, dass ich nie mehr etwas an meiner Atmung ändern soll. Ich war bereit, eine Opernsängerin zu werden und es fühlt sich immer noch so an wie damals, auch wenn viele Jahre vergangen sind.

Wie halten Sie Ihre Stimme gesund?

Ich achte immer darauf, welche Rollen ich singe, wie oft ich singe, wo, wann ich eine bestimmte Rolle singe und so weiter. Ich muss zugeben, dass ich bis vor kurzem nicht einmal vor Auftritten gesungen habe. Manche würden vielleicht sagen, dass ich übervorsichtig bin, aber das ist der Grund, dass meine Stimme noch immer frisch und gesund klingt.

Die Stimme ist wichtig, aber man hat das Gefühl, dass das Aussehen von Opernsängern ebenfalls immer wichtiger wird. Irritiert Sie das?

Ja, es ist wichtig. Ich war mir dessen seit Beginn meiner Karriere sehr bewusst, obwohl ich nicht unbedingt damit einverstanden bin. Gib mir die wunderbarste Stimme der Welt in einem stärkeren Körper, und ich werde sie lieben. Aber das Publikum interessiert sich sehr für das Aussehen, manchmal sogar mehr als für die Stimme. Leider wählen auch immer mehr Opernregisseure ihre Künstler aufgrund ihres Aussehens aus. Ich halte das für falsch und es definiert nicht, worum es in der Oper geht, denn Talent sollte überwiegen.

Welche Musik hören Sie im Privatleben?

In meiner Freizeit höre ich gerne Jazz, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Frank Sinatra, aber auch Popmusik von John Legend, Lady Gaga, Madonna oder Adele. Ich höre auch viel Barockmusik und traditionelle rumänische Musik. Als ich jünger war, habe ich mir alles aus der Welt der Klassik und der Oper angehört, aber nur, um zu wissen, wie andere Musiker auftreten, niemals, um sie zu kopieren. Ich denke, dass dies für die jüngeren Sängerinnen und Sänger sehr wichtig ist: Kopiere nie jemanden. Nur mit Originalität kann man abheben.

Sie kommen ins Stadttheater. Kennen Sie Kärnten eigentlich?

Ich werde zum ersten Mal in Kärnten auftreten, war aber schon ein paar Mal im Urlaub zu Gast, außerdem habe ich gute Freunde, die in dieser Region leben. Ich freue mich darauf, ein neues Theater zu entdecken, das meiner Meinung nach perfekt für ein intimes Konzert ist, und ein neues Publikum. Das ist das Schöne an meiner Karriere: Egal, wie viel man schon gemacht hat, es gibt immer ein neues Publikum zu erobern.

 

Angela Gheorghiu. Geb. 1965 in Adjud, Rumänien. Studierte Gesang an der Musikhochschule Bukarest bei Mia Barbu. 1990 wurde sie nach London an das Royal Opera House engagiert. 1992 Debüt an der Wiener Staatsoper, 1993 an der New Yorker Metropolitan Opera. War von 1996 bis 2013 mit dem Tenor Roberto Alagna verheiratet. Zahlreiche Aufnahmen, zuletzt »A te, Puccini«