Adern, das preisgekrönte Stück von Lisa Wentz, feiert am 22. Februar 2024 in einer Inszenierung von Georg Schmiedleitner Premiere am Stadttheater. (Marianne Fischer/Kleine Zeitung)
»Heute weiß ja kaum jemand mehr, wie diese Nachkriegsjahre waren, wie es dieser Gesellschaft ging, die sich bemüht hat, trotz aller historischen Belastungen aus den Trümmern der Kriegsgeneration eine neue Welt aufzubauen«, sagt Georg Schmiedleitner. Der Oberösterreicher inszeniert mit Lisa Wentz´Adern ein Stück, das im Jahr 1953 beginnt und sich bis in die 1970er-Jahre spannt: In Schwaz in Tirol treffen sich aufgrund einer Anzeige Rudolf und Aloisia, in Klagenfurt gespielt von Axel Sichrovsky und Raphaela Möst. Er sucht eine Mutter für seine fünf Kinder, sie hat sich gemeldet. Beide sind gezeichnet von Kriegserfahrungen. Rudolf hatte offenbar in den Stollen der Messerschmitt-Werke mit Zwangsarbeitern zu tun, bei einer Sprengung gab es ein oder mehrere Opfer. Nun fürchtet er, im Rahmen der Entnazifizierung verhaftet zu werden, obwohl er nur Befehle befolgte. Und Aloisia hat eine Tochter von einem französischen Besatzungssoldaten und fragt sich, ob sie ihn suchen soll. »Mit diesem Rucksack treffen sich die beiden in Schwaz, einem Unort, wo eigentlich niemand freiwillig hin will, aber ein Ort, den sich die beiden erobern als Raum für ihre Beziehung. Hier leben sie, aber immer auch unter dem Druck, dass ihre eigentliche Historie noch einmal aufpoppt und im Herzen explodiert«, sagt Schmiedleitner, der zuletzt am Stadttheater Klagenfurt Shakespeares Was ihr wollt als poetisch-groteske Komödie zeigte.
Und auch Adern hat für ihn grotesk-heitere Seiten, denn zwei Menschen versuchen, »in all ihrer Unbeholfenheit zueinanderzufinden. Es sind oft patscherte und ungelenke Liebesversuche und das ist manchmal wirklich zum Lachen – aber eben auch deshalb, weil man solche Situationen aus der eigenen Welt kennt«, sagt Schmiedleitner über die »hell-dunkel funkelnde Liebesgeschichte« (so die Ankündigung), die mit dem Retzhofer Dramapreis und dem Nestroy als »Bestes Stück 2022« ausgezeichnet wurde. Die Jury lobte die »dialogische Könnerschaft« der 29-jährigen Autorin, die selbst in Tirol aufgewachsen ist, wo der Abbau von Silber- und Kupfererzen eine jahrhundertelange Tradition hat. Und so bezieht sich der Titel auf den Bergbau, in dem Rudolf beschäftigt ist, gleichzeitig aber auch auf die menschlichen Adern und das Blut, das darin pulsiert – oder auch vergossen wurde.